1801–1814: Napoleonische Kriege

Christiansø erlangte erneut militärische Bedeutung im Zuge der Napoleonischen Kriege, als Dänemark und England gegeneinander Krieg führten. Für die Festung wurde dies zur dramatischsten Zeit überhaupt – mit Freibeutern, Artilleriebeschuss und Meuterei.

Während der 172 Jahre, in denen Christiansø als Festung im Dienst der dänischen Streitkräfte stand, veränderten sich die Stärke und die Zusammensetzung der Inselbevölkerung – nach Berufsgruppen sowie sozialer und demografischer Struktur – wahrscheinlich sehr stark. Im Jahr 1807 lebten in der Festung 446 Menschen: Marine- und Artilleriesoldaten, Unteroffiziere, Lotsenmatrosen, Frauen, Kinder, Pensionäre und eine beträchtliche Zahl an Almosenempfängern. Die Almosenempfänger und Pensionäre waren meist ehemalige Angestellte oder Witwen verstorbener Militärangehöriger, die auf der Insel bleiben durften.

Der Beschuss von Christiansø am 6. Oktober 1808

An der Spitze der Festungsgemeinde standen der Festungskommandant und die so genannten Zivilbeamten: der Proviantverwalter, der Auditeur (ein Angehöriger der Militärgerichtsbarkeit), der Arzt, der Pfarrer und der Schullehrer. Wie heute gab es auch damals eine Gruppe von Handwerkern: Schmied, Zimmermann, Maurer, Müller und andere mehr. Auch ein Wallmeister und ein Quartiermeister, ein Gastwirt und weitere militärische und zivile Spezialisten trugen zum Inselleben bei.

Christiansø lag am Hauptseeweg des Handelsverkehrs zwischen Ost- und Nordsee. Der Hafen der Festung wurde von zahlreichen Schiffen auf ihrem Weg zwischen den Handelshäfen der Ostsee angelaufen. Auf diesem Weg beschafften die Großmächte Rohstoffe wie Hanf, Segeltuch, Holz, Eisen und Teer, die für den Schiffbau gebraucht wurden. Im Zeitalter der Segelschiffe waren diese Rohstoffe essenziell für den Aufbau und Unterhalt der Flotten, und deshalb war die Ostseeregion von zentraler Bedeutung für Europa und die Welt – ähnlich wie heute der Nahe Osten mit seinen Ölvorkommen. Das erklärt, warum Christiansø jedes Jahr von gut 300 Schiffen aus ganz Europa und Nordamerika angelaufen wurde. Um den vielen Handelsschiffen den Weg zu weisen, wurde der große Turm im Jahr 1805 mit einem Leuchtfeuer ausgestattet.

Gerade die Wichtigkeit der Ostsee und die Lage Dänemarks an deren Mündung in Nordsee führten dazu, dass das zu jener Zeit mit Frankreich verbündete Dänemark zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einen Krieg verwickelt wurde – mit England.

In dem sieben Jahre langen Krieg verdoppelte sich die Einwohnerzahl Christiansøs durch Soldaten, die als Verstärkung auf die Inseln geschickt wurden. Christiansø spielte eine wichtige Rolle als Stützpunkt für die im Staatsauftrag agierenden Freibeuter. Die Seefestung wurde zur wichtigsten Basis für Kaperfahrten. Von Christiansø aus griffen die Freibeuter englische und schwedische Handelsschiffe in der Ostsee an, und die Festung bereitete den Briten zusehends Kopfschmerzen. Die englische Regierung wurde bald auf Christiansø aufmerksam, denn die Lage und der Hafen der Festung eigneten sich perfekt für die eigenen Militäroperationen der Briten in der Ostsee.

Gemälde des Festungsbeschusses im Jahr 1808 von Arne Skotteborg-Frederiksen (1979). Das Werk hängt heute in der Wohnung des Administrators im Weißen Haus (Hvide Hus).

Im Jahr 1808 wurde Christiansø deshalb Ziel für den schlimmsten Angriff, den die Engländer während des Kriegs auf dänisch-norwegisches Territorium wagten – abgesehen von der Bombardierung Kopenhagens im Jahr zuvor. Der geplante Angriff scheiterte jedoch, und die Engländer mussten unverrichteter Dinge nach Hause segeln. Im restlichen Verlauf des Kriegs wurden von der englischen Admiralität jedoch wiederholt Pläne zur Eroberung der Seefestung aus der Schublade geholt.

Im Jahr 1809 wurde Christiansø zum Austragungsort einer großen Meuterei, als 200 Berufssoldaten des Marineregiments den Aufstand probten. Die Meuterer stachen den Kommandanten mit einem Bajonett nieder, nahmen die Offiziere der Festung gefangen und übernahmen die Kontrolle über ganz Christiansø. Der Aufruhr dauerte mehrere Tage, die von Chaos, Sauferei, Gewaltausbrüchen und Totschlag gekennzeichnet waren. Die schrecklichen Tage endeten mit der Flucht der Meuterer in mehreren Booten nach Schweden.

Nach dem Angriff der Engländer 1808 wurden die Festungsanlagen auf Christiansøs umfassend verstärkt und ausgebaut. Die enormen Wälle, Bastionen und Pulvermagazine, die das einzigartige Erscheinungsbild Christiansøs bis heute prägen, wurden in dieser Zeit gebaut. Um die tausenden Tonnen Felsgestein zu gewinnen, die für den Festungsausbau benötigt wurden, nahm man derart viele Sprengungen vor, dass die Topografie der Inseln stark entstellt wurde. Davon zeugen unter anderem die terrassenartigen Felsplateaus, die sich an vielen Stellen der Inseln befinden (deutlich zu sehen an den Buchten Bjelkes Vig und Pikkervig).


Christiansøs Kriegsheld Johan von Kohl

In der Festungszeit trug der Befehlshaber von Christiansø den Titel „Kommandant“. Der Kommandant war in der Regel ein Marineoffizier, der von Kopenhagen aus auf die Inseln abgestellt wurde, doch zwei Mal in der Geschichte der Festung wurde ein auf Christiansø geborener Bewohner zum Festungskommandanten ernannt.

Johan Henrik August von Kohl

Der Berühmtere der beiden war Johan Henrik August von Kohl. Er wurde 1763 auf Christiansø als Sohn des Festungsoffiziers Andreas August von Kohl geboren. Nach seiner Konfirmation begab sich der junge Johan von Kohl mit einem Schiff nach Dänisch-Westindien, wo er zum Steuermann ausgebildet wurde. Nach mehreren Jahren auf See kehrte er als 20-Jähriger heim nach Christiansø, um seine Eltern zu besuchen. Während seines Aufenthalts fuhr ein Schiff auf die Klippen bei Tat auf, der kleinen Insel nördlich von Græsholm, und sank. Kohl ruderte im Sturm hinaus und rettete die Besatzung des Schiffs. Der alte Kommandant war von dem jungen Seemann so begeistert, dass er ihm eine Stellung als Offizier auf Christiansø anbot. Sowohl Johan von Kohl als auch sein Vater müssen sich als Offiziere gut gemacht haben, denn 1793 wurde Andreas August von Kohl Kommandant von Christiansø. Doch schon zwei Monate später verstarb er. Da übernahm Johan von Kohl den Kommandantenposten von seinem Vater. Er bekleidete die Funktion bis 1811.

Johan von Kohl kommandierte die Festung während des englischen Angriffs von 1808 und während der blutigen Meuterei – und trug bei beiden Ereignissen Verletzungen davon. Johan von Kohl ist wohl der einzige richtige „Held“, den Christiansø hatte. Nicht nur wegen seines Muts sondern auch, weil er ein recht sanftmütiger Kommandant war, der sich um die armen Inselbewohner kümmerte und ihnen nicht selten mit Geld aus der eigenen Tasche aushalf.


Die Kanonenbootschlacht bei Christiansø 1813

Die Kanonenbootsschuppen

Im Jahr 1810 erhielt Christiansø vier Kanonenjollen, die die Namen „Svaneke“, „Allinge“, „Rønne“ und „Gudhjem“ trugen. Es handelte sich um große Ruderboote mit einer einzelnen Kanone, deren Aufgabe es war, den Feind von den Inseln fernzuhalten. Als 1813 ein neuer Krieg mit Schweden drohte, lag plötzlich eine Brigg der schwedischen Kriegsflotte vor Christiansø und machte sich daran, die Bornholmer Boote, die von und zur Festung fuhren, zu jagen und aufzubringen. Da ruderte der Kommandant hinaus und fragte den schwedischen Schiffsführer, Graf Cronstedt, was er im Schilde führe. Es gab nämlich noch keine offizielle Kriegserklärung. Der Kommandant erhielt die Auskunft, dass der Schwede den Auftrag hatte, Christiansø zu blockieren. Damit wollte sich die Besatzung der Festung jedoch nicht abfinden, und der Kommandant gab seinem ersten Offizier Hans Emmanuel Wulff den Befehl, mit den Kanonenbooten hinauszufahren und den Schweden zu verjagen. Zur Mittagszeit ertönten die ersten Kanonenschüsse. Das Heckbeiboot der Brigg wurde heruntergeschossen und von Kugeln durchlöchert. Der Schwede legte sich jetzt in Schussposition und gab den Kanonenbooten ein paar Breitseiten. Die meisten Kugeln sausten über die Köpfe der Besatzungen in den Kanonenjollen hinweg. Eine Kugel jedoch zerstörte ein paar Ruder auf der „Allinge“, und die „Svaneke“ wurde von einer Kugel im Rumpf getroffen. Um Viertel nach eins sendeten die Schweden ein Parlamentärboot hinüber zu den dänischen Kanonenjollen und erkundigten sich, ob zwischen Dänemark und Schweden der Krieg erklärt worden sei. Hans Emmanuel Wulff antwortete, Cronstedt habe eben diesen allein durch seine Anwesenheit verkündet. Deshalb habe er, Wulff, den Befehl, den Schweden fortzujagen. Daraufhin ergriff die schwedische Brigg stark ramponiert die Flucht.

Der Held des Tages, Hans Emmanuel Wulff, wurde später selber Kommandant von Christiansø. Viele Jahre später verfasste der auf der Insel gefangene Philosoph Jacob Jacobsen Dampe ein Hommage-Gedicht an Wulff über dessen heldenhaften Kampf gegen die schwedische Brigg. Auf dem Friedhof von Christiansø liegen Wulffs Ehefrau und kleine Tochter begraben. Wulff verließ sie, als er später seinen Posten als Kommandant niederlegte.